Rechtsextremismus bei RB Leipzig: Wenn Rechte am Einlass stehen

ZEIT schreibt über ein halbes Jahr später von diesem Beitrag ab:

“Ostdeutschland kämpft”: Neonazis, Hooligans und rechte Rocker zu Kampfsportevent bei Leipzig erwartet“ – https://www.inventati.org/leipzig/?p=5305


ZEIT: Eine Security-Firma mit Verbindungen ins rechtsextreme Milieu betreut Spiele beim Bundesligisten RB Leipzig. Der Verein hat davon offenbar lange keine Notiz genommen.

Es ist ein kalter Sonntagabend im Februar und während sich der Himmel blaurosa verfärbt, fahren SUVs, Jeeps und tiefergelegte Autos in das kahle Industriegelände beim Club Sax in Dölzig, einem Vorort von Leipzig, ein. Es sind vor allem Gruppen von Männern, die sich neben dem Clubeingang versammeln, um dort Zigarettenrauch gen Himmel zu pusten. Einige von ihnen sind bullige Glatzenträger, andere eher unauffällig. Gemeinsam warten sie auf den Start des Boxevents Ostdeutschland kämpft, bei dem sich unter anderem Neonazis im Zweikampf gegeneinander behaupten.

Ein Security-Mann mit dem Logo der Firma BR Events auf der Jacke eilt vorbei. Nicht weit vom Eingang entfernt steht ein großer, kahlköpfiger Mann: Thomas B., der Geschäftsführer. Doch das Unternehmen sichert nicht nur rechtsextrem geprägte Veranstaltungen wie Ostdeutschland kämpft – sondern auch Fußballspiele und andere Veranstaltungen in der Red Bull Arena, dem Stadion des Bundesligisten RB Leipzig. Und das, obwohl der Verein betont, er sei weltoffen und gegen jegliche Form von Diskriminierung. Wie passt das zusammen?

Sicher ist: BR Events ist mit seinen Dienstleistungen in Leipzig durchaus gefragt. Zum Beispiel vor der Diskothek Spizz. Dort kommt immer wieder der Vorwurf rassistischer Einlasskontrollen auf. Menschen mit Aufenthaltsgenehmigungen sollen abgewiesen worden sein. Eine Nutzerin schreibt auf Google über ihre Erfahrung im Club, der gleichzeitig auch Bar ist: „Unterhaltung der Kellnerinnen mitbekommen: Der Führertisch möchte zahlen…gemeint war Tisch Nr. 88.“ Das Spizz selbst äußerte sich auf Anfrage von ZEIT ONLINE nicht.

Gewalt in Leipziger Club

Im Mai 2022 soll sich im Spizz ein Vorfall ereignet haben, bei dem ein 31-Jähriger nach eigenen Angaben durch Security-Personal schwer verletzt wurde. Laut eigenen Aussagen waren Jochbein, Nasenbein und Kiefer doppelt gebrochen. Der Security wirft er homophobe Motive vor. Die Staatsanwaltschaft Leipzig ermittelt nun gegen vier Männer – drei von ihnen waren an diesem Abend als Subunternehmer von BR Events beauftragt.

Darunter auch die Firma von Ali H. Schon seit 12 Jahren arbeitet der Iraner nach eigenen Angaben mit dem Sicherheitsunternehmen zusammen.  H. sagt, der Gast habe ihn angegriffen – es sei Notwehr gewesen.

Das Spizz reagierte nicht auf die Vorwürfe. BR Events verweist darauf, dass die Beschuldigten einem Subunternehmen angehören. Die Firma selbst stehe in keinem Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Angriff. Auch heute – ein Jahr danach – stehen noch immer BR Events und seine Subunternehmer an der Tür.

BR Events wurde 2012 vom heutigen Geschäftsführer Thomas B. mitgegründet. Zuvor war er bei einem anderen Sicherheitsunternehmen tätig: Black Rainbow Security. Zwischen beiden Firmen gibt es mehrere personelle Überschneidungen.

Auf einem Gruppenbild vom August 2021 ist B. mit den rechtsextremen Kampfsportlern Martin K. und Brian E. abgebildet. E., der auch bei der Boxveranstaltung Ostdeutschland kämpft auftritt, trägt Hakenkreuz-Tätowierungen auf seiner Schulter.

Im Thor-Steinar-Shirt auf Weihnachtsfeier

Ebenfalls auf dem Bild zu sehen ist Alexander F., einer der Gesellschafter der Black Rainbow Security. Die Firma existiert nach offiziellen Angaben bereits seit 2008 nicht mehr. Die Strukturen bestehen jedoch weiterhin. So finden die Ostdeutschland-kämpft-Events als Jubiläumsfeiern der Firmengründung statt. Beworben wird die Veranstaltung auf Facebook von einer Seite namens Black Rainbow Security – P.E.A.S. GmbH. Die Seite ist weiterhin aktiv.

Zudem feierten Alexander F. und Thomas B. 2014 gemeinsam auf einer Firmenfeier. Thomas B. zeigte sich dort im T-Shirt der rechtsextremen Marke Thor Steinar. Laut Firmenregister gehören seit 2021 beachtliche Firmenanteile von BR Events der Ehefrau von Alexander F.

Nach offiziellen Angaben existiert heute nur noch die Firma BR Events GmbH. Die P.E.A.S GmbH, welche nach der Auflösung von Black Rainbow als Security-Firma existierte, stellte 2019 ihren Betrieb ein. P.E.A.S und BR Events hatten ihren Firmensitz an derselben Adresse südlich der Leipziger Innenstadt, bevor BR Events auf das Gelände des Stadions zog. Bis 2019 waren beide dort beschäftigt.

Als ZEIT ONLINE RB Leipzig mit dem Geschehen vor der Diskothek und den Beteiligten konfrontiert, wird Türsteher Ali H. kurzerhand nicht mehr von BR Events beauftragt. Er darf vorerst nicht mehr im Stadion arbeiten. Der Verein teilt mit, das Security-Unternehmen habe im März 2023 „mitgeteilt, dass gegen eines seiner Subunternehmen polizeiliche Ermittlungen laufen“. Dass der Vorfall fast ein Jahr her ist und Ali H. bis vor Kurzem noch am Einlass stand, wird nicht thematisiert. RB Leipzig steht nach eigenen Angaben für friedliche, familienfreundliche Fußballspiele. Wer dafür die Security übernimmt, scheint jedoch keine große Rolle zu spielen.

Gewalt in der Security-Branche – ein strukturelles Problem

Mit der Organisation rechter Unternehmen kennt sich Johannes Kiess aus. Er ist Soziologe und Rechtsextremismusexperte am Else-Frenkel-Brunswik-Institut der Uni Leipzig. Er sieht die Security-Szene, ähnlich wie die Kampfsportszene, als Milieu, das durch Gewaltaffinität und Maskulinitätsvorstellungen geprägt ist: „Da ist einfach eine gewisse Offenheit gegenüber extrem rechtem Gedankengut. Das heißt nicht, dass jeder Kampfsportler rechts ist.“ Aber es gebe eine Faszination mit bestimmten Ideologieelementen, die anschlussfähig an die rechtsextreme Szene seien.

Juliane Nagel ist Stadträtin und Landtagsabgeordnete der Linken in Leipzig. Sie sieht in der Security-Szene auch ein strukturelles Problem. „Da besteht eine besondere Anziehungskraft für Menschen, die die Priorität eher nicht auf kommunikative Lösungen legen. Außerdem sind die Qualifikationsanforderungen niedrig.“ Veranstalter griffen dennoch auf Firmen wie BR Events zurück, weil ihnen Wissen über rechte Strukturen und Verbindungen fehle. Die Firmen hätten außerdem keine andere Wahl: „Wenn der Sommer kommt, sind gerade die Securitys, die man als Positivbeispiele kennt, eher ausgebucht.“

BR Events reagierte auf Anfrage von ZEIT ONLINE prompt mit einem anwaltlichen Schreiben. Wenige Tage danach veröffentlichte das Unternehmen auf seiner Facebook-Seite einen Post, in dem es seinen Mitarbeiter Denis K. als Antidiskriminierungsbeauftragten vorstellt und sich gegen jede Form von Diskriminierung positioniert. „Respect“ steht auf dem zugehörigen Bild, zwei Personen unterschiedlicher Hautfarben reichen einander die Hand.

Laut dem Anwalt von BR Events gibt es die Position eines Antidiskriminierungsbeauftragten seit Dezember 2022. Denis K. verfüge „über eine Ausbildung, aufgrund derer er für die Wahrnehmung dieser Funktion geeignet ist“. Ein Blick auf Denis K.s Facebook-Profil überrascht allerdings. Der neue Antidiskriminierungsbeauftragte folgt der AfD, deren Fraktionschefin im Bundestag, Alice Weidel, und teilt den Inhalt eines einschlägigen rechten Nachrichtenportals.